Was uns alle miteinander verbindet

Was uns alle miteinander verbindet
Demo gegen das Regime im Iran in Hamburg am 23.11.2019

 

Liebe Freundinnen 💗 und liebe Freunde 💗

heute war die Demo gegen das Islamische Mullahregime Irans, das wieder einmal über 1000 Menschen (die Dunkelziffer ist wohl weitaus höher) verhaften ließ und um die 200 Menschen auf den Straßen ermordet hat. Die Gefängnisse sind voll mit politischen Gefangenen - Schriftsteller, Journalisten, Menschenrechtler, Lehrer, Studenten, Hausfrauen ... etc.

Als wir am Versammlungsort am Hauptbahnhof eintrafen, wäre ich am liebsten gleich wieder umgekehrt, denn die Menschen riefen: Margh ba Khomeini, Margh ba Jomhuri-ye Islami (Tod Chomeini, Tod der Islamischen Republik). Das hat mich sehr gestört. Ich bin nicht gekommen, um hier dem Tode zu folgen, wie es die Militanten in meiner alten Heimat hasserfüllt auf den Straßen brüllen, nämlich: Margh ba Amerika oder Margh ba Israel. Immer wieder dieses Tod-wünschen. Ich habe es einfach satt. Daraufhin gingen einige meiner Freunde zum Schreihals hinterm Lautsprecher und baten ihn freundlich, solche Parolen zu unterlassen. Ich zumindest war gekommen, um für die Freiheit und das Leben zu demonstrieren, für die Demokratie, die uns hier geschenkt und doch so vernachlässigt wird und von der die Menschen im Iran nur träumen können. Und vor allem für all die unschuldig inhaftierten Menschen im Iran.

Der Mann war einsichtig und wünschte dann nur noch den Mullahs den Tod ... Na ja. Zugleich kam dann ein neuer Slogan: Es lebe Reza Schah und Frieden seiner Seele. Hm, ich war also hier mehrheitlich unter Schah-Anhängern. Die Fahnen, die ich bei vielen Demonstranten sah, zeigten die alten Symbole. Gut, man kann und darf nicht alles erwarten. Doch schließlich soll uns gemeinsam das Ziel einen, nämlich die Mullahkratie zu beenden.

Zu meiner Freude entdeckte ich eine Fahne Israels mitten unter den wehenden Schahfahnen. Ein paar Juden hatten sich eingefunden, um ihre Solidarität mit den Iranern zu zeigen. Das hat mich sehr gefreut. Ich kam ins Gespräch und bot mich auch an, die Fahne mitzutragen, denn ich bin ja von beiden etwas: Jüdisch und Iranisch. Eine kleine Iranerin mittleren Alters hatte auch den Zipfel der Fahne ergriffen, wobei sie mir eifrig erzählte, dass sie in ihrer Kindheit im Iran viele jüdische Freunde hatte und im Andenken an sie die Fahne mittragen wollte. Das fand ich wundervoll. So soll es sein. Hier zeigte sich, wie schön es ist, wenn Menschen sich miteinander verbinden.

Durchweg fand die Fahne unter den Demonstranten viel Beachtung. Manche fragten, ob wir uns geirrt hätten oder warum wir diese Fahne hier trugen. Nach kurzer Erklärung gab es viel Zuspruch und Freude. Manche küssten uns und wollten die Fahne auch kurz tragen. Uns ging es jedoch nicht um die Fahne, sondern darum, ein Zeichen zu setzen. Juden und Iraner sind keine Feinde. Was die Politiker dort oben beschließen, ist nicht unser Credo.

Plötzlich beschimpfte mich eine Frau: „Was soll denn das mit der jüdischen Fahne? Ihr seid alle Selbstdarsteller und habt hier nichts zu suchen!“ Jüdische Fahne? Ich versuchte es ihr in Ruhe zu erklären, aber sie keifte mich die ganze Zeit nur an. Der junge Iraner, der oben auf dem Wagen stand hatte das mitbekommen und bat um die Fahne. Als wir sie ihm überreichten, hielt er sie stolz empor und rief, wie schön es sei, dass wir uns alle miteinander vereinten.

Die Demonstration verlief so ruhig und friedlich. Wir sangen die heimliche Nationalhymne der Iraner, nämlich die eines freien Iran, von dem wir alle träumen. Was man hier in Deutschland wohl weniger weiß: Würde ich diese Fahne im Iran tragen, würden mich die Schergen sofort holen und einsperren und schlimmstenfalls als Landesverräterin hinrichten. Darum danke ich all meinen lieben Landsleuten, die es sich nicht nehmen ließen, die Fahne ein Stückchen mitzutragen. Und ich danke den deutschen Mitbürgern, die verstanden, worum es uns ging und uns Mut zusprachen.

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