Mehrgan - das Herbstfest

Mehrgan – das Herbstfest

Gāhnbār ist die Auflistung der iranischen Feste, die zum Gedenken der sechs Schöpfungsphasen der Welt durch Ahura Mazda (Schöpfung von Himmel, Erde, Wasser, Pflanzen, Tiere und Menschen) gefeiert werden.

Mehrgan war ursprünglich das sechstägige Fest in Gedenken an Mehr (Mithras), Inbegriff der Weisheit, Güte, Wachsamkeit, Aufrichtigkeit und Stärke. Außerdem feierte man es zur Erinnerung an die Krönung des mythologischen Königs Feridun, der den dreiköpfigen Drachen Zahak besiegte. Zahak galt als Inbegriff von Fremdherrschaft und Tyrannei, bis er nach seiner tausendjährigen Gewaltherrschaft mit Hilfe eines tapferen Schmieds namens Kave von Feridun besiegt wurde.

Das Mehrgan-Fest fällt auf den 196. Kalendertag des persischen Sonnenkalenders und beginnt mit  dem gleichnamigen Monat Mehr (Sonne
= مهر) am 23. September bis 22. Oktober. Bedenkt man, dass das Frühlingsfest (Norus) und der neue Jahresbeginn auf den Frühlingsanfang fallen, liegt Mehrgan fast in der Jahresmitte.

Der Begriff "Mehrgan" besteht aus zwei Teibegriffen „Mehr" und „gan". Der Begriff „Mehr" hat mehrere Bedeutungen. Er ist der Name eines der größten Götter der Zarathustra-Religion, der für Versprechen und Vereinbarung stand. Ferner bedeutet „Mehr" Liebe, Zuneigung und Freundlichkeit. „Mehr" ist aber auch der Name des siebenten Monats des Jahres und des sechzehnten Tags des Monats. Die Bindung „gan" steht für Zugehörigkeit. „Mehrgan" ist also das Fest, das dem Gott „Mehr" zugehörig ist.

Die besondere Bedeutung des Mehrgan-Festes ist im Wesentlichen in der hohen Stellung des Gottes „Mehr" begründet. Ein weiterer Grund ist der Zeitpunkt des Festes, nämlich der Herbstanfang! Nach der antiken persischen Zeitrechnung gab es nur zwei Jahreszeiten: Großsommer und Großwinter. Da im Iran die warme Jahreszeit in der Regel länger andauert als die kalte, hatte der Großsommer sieben und der Großwinter fünf Monate So galt das Norusfest zu Beginn des Sommers als wichtigste Feier wie Mehrgan zu Beginn des Winters.

Herbstbeginn ist auch die Erntezeit. Für ein Volk, das im Wesentlichen von Landwirtschaft lebte, hatte der Herbst daher eine existentielle Bedeutung Dieser Umstand steigerte zusätzlich Symbolkraft und Glanz des Mehrgan.

Der königliche Hof erhielt in dieser Zeit Geschenke über zehntausend Goldstücke, die auch registriert wurden. Wenn der Schenkende in Geldnot war und zu einem späteren Zeitpunkt Geld benötigte, erhielt er vom Hof seinen Betrag doppelt zurück. So hielt der Schah einmal zum Norus und zum anderen Male bei Mehrgan Audienz. Während der Feierlichkeiten zum Mehrgan trug der König ein Pelzgewand und verteilte all seine Sommerkleidung unter den Höflingen.

Die Mehrgan-Feier wurde damals folgendermaßen zelebriert: Der erste König der Sassaniden, Ardeshir Babakan, setzte sich an diesem Tag erstmalig eine Krone auf, in die eine Sonne eingraviert war. Die ihm folgenden Könige haben eine solche Krone ihren Söhnen aufgesetzt und deren Körper mit einem besonderen Öl des Baums ’Ban’ eingerieben. An diesem Tag waren die ersten Besucher des Königs hohe Geistliche, Würdenträger  und Wissenschaftler. Der Tisch war gedeckt mit Zucker, Reis, Äpfeln, Granatäpfeln, Rosenwasser und weißen Trauben. Die Perser glaubten, der Verzehr dieser Köstlichkeiten, die Verwendung des Ban-Öls und das Trinken des Rosenwassers (Golab) würden vor Gefahren und Unannehmlichkeiten schützen.

Heutzutage tragen alle Festteilnehmer neue Kleider und setzen sich ebenfalls um einen geschmückten, reichlich gedeckten Tisch. Die Seiten der Tischdecke sind mit getrocknetem, wilden Majoran dekoriert. Bei den Zoroastriern liegt zusätzlich eine Kopie des Chordeh Avesta ("kleine Avesta") in der Mitte des Tisches. Ansonsten finden sich darauf ein Spiegel und eine Sormeh Dan (Antimonkelle), ein Schälchen Rosenwasser, Süßigkeiten, Blumen, Gemüse und Obst, wobei besonders Granatäpfel wichtig sind wie auch Nüsse, Mandeln oder Pistazien. Ein paar Silbermünzen und Lotus-Samen werden in einer Wasserschale platziert, die mit duftendem Majoranextrakt angereichert ist. Auch ein Räucherpfännchen darf nicht fehlen, in welches Weihrauch und Esfand (heilsame Gewürzmischung zum Räuchern) in glimmende Kohle geworfen werden.


Wenn gegen Mittag die Zeremonie beginnt, steht jeder in der Familie vor dem Spiegel, um zu beten. Sein Spiegelbild anzuschauen, ist dabei sehr wichtig, soll das Gebet doch vor bösen Einflüssen reinigen. Dann wird ein Scherbet getrunken und als gutes Omen Antimon rund um die Augen gerieben, denn man rechnete seit jeher diesem Mineral große Heilkraft zu. Jeder nimmt sich eine Handvoll wilden Majoran, Lotus und Zuckerpflaumensamen. Nun beginnen alle fröhlich, sich die Kräuter gegenseitig über die Köpfe zu werfen. Danach umarmen sich alle und wünschen sich gegenseitig Glück.

Noch bis in die 1960er Jahre galt bei den Zoroastriern in Yazd das Ritual, an diesem Tag ein Schaf zu schlachten. Das Tier wurde zwischen Sonnenaufgang und Mittag geschlachtet und danach langsam bis zum Abend am Spieß gegrillt, damit es am Abend gemeinsam verzehrt werden konnte.

 

 

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