Barbara Obermüller: Wo der Osten den Westen umarmt

Aus: Virginia (Nr. 49, S. 11), März 2011

Pressestimme zu "Grüner Himmel über schwarzen Tulpen" (Christel-Göttert-Verlag)


Barbara Obermüller:
"Wo der Osten den Westen umarmt"

Barbara Naziri ist als Tochter einer deutschen Mutter und eines iranischen Vaters in Hamburg aufgewachsen. Sie war ein abenteuerlustiges Mädchen, die "schwarze Bary", die gerne mit Jungen Räuber und Gendarm spielte und auf Bäume kletterte. Gleichzeitig verliehen die vom heiß geliebten Vater erzählten orientalischen Märchen, die Antiquitäten des Nachbarn Samuel Rosenbaum und ihre außergewöhnliche Großtante Giti "ihrer Fantasie bunte Flügel". Bis heute ist sie geprägt von der Nationalitätenvielfalt von Menschen, die in der Umgebung ihres Elternhauses in Hamburg lebten.
"Eine Pflanze mit jiddischen Wurzeln in persischer Erde, Blütestandort Norddeutschland" nennt die Autorin sich selbst. Und nie hat die Sehnsucht nach ihrer zweiten Heimat, dem Iran, sie verlassen. Stets hat sie den Hunger nach Freiheit des iranischen Volkes geteilt und mit ihm immer wieder auf eine Wende hin zu Frieden und Gerechtigkeit gehofft – nach dem Sturz des Schahs 1979, nach der Machtergreifung Chomeinis wenig später, während des Irakkrieges gegen Iran und wieder vor der umstrittenen Wiederwahl des verhassten Diktators Ahmadinejad im Jahr 2009. Auf ihren Reisen zeigt sie uns einen anderen Iran, das Land der starken iranischen Frauen, die die Hauptlast der Familienarbeit tragen, oft einen schwer erkämpften Beruf ausüben und das alles unter der Scharia, der erstickenden frauenfeindlichen Gesetzgebung des Islams.
Sie führt uns in zauberhafte alte Städte, wie Schiraz, einst das Zentrum der persischen Dichtung und Philosophie, oder Persepolis, die antike Stadt, in der jeder Stein Geschichte erzählt, z.B. von dem altiranischen Propheten Zarathustra und von der Muttergöttin Pinikir, die in der frühen, hoch entwickelten Kultur des Elam-Reiches verehrt wurde, in dem Frauen eine gehobene Stellung hatten. Die Autorin macht uns mit den gastfreundlichen iranischen Menschen bekannt, die hinter den westlichen Medienberichten über Terrorismus und Krieg sowie dem Größenwahn eines Diktators unsichtbar werden, und mit deren Geduld, ihrer Toleranz, ihrem Mut und ihrer trotz schwieriger Lebensumstände nie versiegenden Lebensfreude. Doch die Menschen sind müde und geschwächt durch die Gewalt und die monströsen Ungerechtigkeiten des Regimes. Hautnah erleben wir mit der Autorin, was es heißt, auf Schritt und Tritt beobachtet zu werden und sofort in massive Schwierigkeiten zu geraten, wenn der Schleier leicht verrutscht. Ganz zu schweigen von der Gefahr, die für Leib und Leben besteht, sobald das unterdrückte Recht auf Meinungs- oder Pressefreiheit in Anspruch genommen wird. Sie beschreibt die durch den Krieg, das Embargo der westlichen Industrienationen und die vernachlässigte Sozial- und Bildungspolitik grassierende Armut, die zerstörte Infrastruktur, Drogensucht und Kriminalität in bestimmten Stadtvierteln Teherans.
Trotz allem gibt es Zeichen der Hoffnung durch die grüne Bewegung der Opposition. Es wächst der Widerstand, auch unter dem Schleier. Die Autorin macht deutlich, dass gerade die Frauen verstanden haben, dass Zivilcourage und Bildung Waffen gegen Gewalt und Willkür sind. 65 Prozent der Studierenden und ein Drittel der Promovierenden im Iran sind weiblich und es gibt eine stärker werdende Frauenbewegung. Vorbilder sind Frauen wie die couragierten Frauen-rechtlerinnen Shadi Sadr, Schirin Ebadi sowie die Gruppe der "Mütter in Trauer", die sich 2010 mit einem erschütternden, viel beachteten Aufruf gegen das Gewaltregime zur Wehr setzte.
Barbara Naziri hat den Hamburger Flüchtlingsrat und den Deutsch-Ausländischen Kulturverein in Hamburg mitbegründet und während ihres Iranistik-Studium nach ihrer Identität gesucht. Ihr poetischer und zugleich kraftvoller Schreibstil erinnert an die orientalischen Märchen ihrer Kindheit. Mit ihrem Buch hat sie wichtige Impulse gesetzt gegen das verzerrte und einseitige westliche Bild über den Iran und seine Menschen.

Barbara Obermüller
(Frauenhistorikerin)

Interview mit Barbara Obermüller vom 7.9.2014

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