Offener Brief an den Hamburger Bürgermeister

Liebe Freundinnen und liebe Freunde,

Anfang Januar habe ich mit meiner lieben Freundin Esther Bejarano telefoniert. Was sie mir berichtete, hat mich sehr betroffen gemacht und
empört.

Auschwitz steht wie kein anderer Schauplatz für das „Dritte Reich“ und die industrielle Vernichtung von Menschen. An die Opfer erinnert alljährlich auch das Auschwitz-Komitee, ein Verein, 1986 gegründet von Überlebenden, Angehörigen und Freund*innen, bis heute ansässig in Hamburg, deren stilles Mitglied auch ich bin.

In diesem Jahr richtet es eine Podiumsdiskussion aus: Unter dem Motto „Erinnern heißt handeln: Gemeinsam gegen den Hass“ spricht da am kommenden Sonntag Esther Bejarano als Komitee-Vorsitzende unter anderem mit Detlef Garbe, Direktor der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, und Regula Venske, Präsidentin der SchriftstellerInnenvereinigung PEN Deutschland.

Unter anderem wollte das Komitee auch in der Hamburger U-Bahn für diese Veranstaltung werben – unter Verwendung eines Fotos von einer „Seebrücke“-Demonstration im September 2018: Darauf ist ein Transparent mit der Forderung "Hamburg zum sicheren Hafen“ zu sehen. Die Hamburger Hochbahn lehnte ab: „Es geht uns nicht um die Veranstaltung selbst. Natürlich ist der Gedenktag wichtig“, sagt Sprecher Christoph Kreienbaum. „Sondern darum, dass für die Veranstaltung geworben wird mit einem politischen Ziel, für das es nach unserer Auffassung aber keinen parteiübergreifenden Konsens gibt.“

Daneben verleiht aus Sicht der Hochbahn auch die Besetzung des Podiums – unter anderem nämlich mit einer auch also solcher angekündigten Antifa-Aktivistin – damit ist Esther gemeint! - „einer politischen Idee ein besonderes Gewicht“: Das hatte man zuvor schon dem Komitee mitgeteilt. Als städtisches Unternehmen aber „ist die Hochbahn zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet“, so Kreienbaum.

Daraufhin hat sich Esther direkt an Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) gewandt, den ihr lesen könnt, wenn ihr am Ende des Textes unten auf den Link klickt. In diesem öffentlichen Brief schlägt sie ausdrücklich den Bogen vom historischen Anlass in die Gegenwart: „Erinnern heißt handeln“, das bedeute „heute aktiv zu sein, uns mit den Verhältnissen auseinanderzusetzen, bevor es wieder zu spät ist“.

Nun hatte sich, so wie die SPD-Bürgermeisterkollegen in Bremen und Berlin, Tschentscher im Herbst zur Stadt als sicherem Hafen für Geflüchtete bekannt; auch die Bürgerschaft beschloss Entsprechendes.

In der Vergangenheit, etwa im Zusammenhang mit der am Ende gescheiterten Hamburger Olympiabewerbung im Jahr 2015, hatte die Hochbahn stets erklärt, man unterstütze die Politik des Senats. Das gilt auch immer noch: „Unser Kriterium war: Senatsbeschluss ja oder nein“, sagt Kreienbaum – aber so einen gebe es im Fall des sicheren Hafens nun einmal nicht.

Zwar hat sich die HVV bei Esther entschuldigt, aber da bleibt ein bitterer Beigeschmack und ehrlich gesagt ein Grauen, dass die Zeiten nicht besser werden...

Quelle: taz und Esther Bejarano

Offener Brief von Esther Bejarano an Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher

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