Reza Hajatpour - Islamwissenschaftler, Schriftsteller, Philosoph und Freund

Reza Hajatpour
Islamwissenschaftler, Schriftsteller und Philosoph

„Die Philosophie wie die Wissenschaft per se gehört niemandem …“

Mein lieber Freund und Landsmann Reza Hajatpour wurde 1958 im Nordiran geboren. Während erste Demonstrationen das Ende der Schah-Ära andeuteten, begann der junge Reza Hajatpour gegen den Wunsch der Familie seine Karriere als Mullah in Ghom, dem religiösen Zentrum des Iran, und setzte dort sein theologisches Studium fort.

Das Schah-Regime wurde abgelöst. Doch die Hoffnungen der iranischen Gesellschaft auf einen freien und demokratischen Iran erfüllten sich nicht. Angst und Gewalt beherrschten bald den Tag, als die Geistlichen die Macht übernahmen und die Islamische Republik ausriefen. Als junger Mullah geriet Reza jedoch immer stärker in Widerspruch zu den neuen religiösen Machthabern. Dass er mit einer wesentlich älteren Frau von sturer Frömmigkeit verheiratet wurde, nahm er noch als gottgegeben hin. Aber während seines Theologiestudiums erwachten in ihm Zweifel: Zweifel an der Festigkeit seines Glaubens, der Auslegung der Religion und vor allem an der Integrität seines Berufsstandes. So stellte Reza Hajatpours kritscher Geist eine Quelle ständiger Gefahr da. Studienkollegen wandten sich wegen seines Freigeistes, der sich selbstkritisch gegen Denkverbote zur Wehr setzte, von ihm ab. Seine Lehrer rieten ihm, die Gläubigen als blinde, stumme Masse zu betrachten. In diesem Augenblick erkannte der junge Mullah die Wahrheit über den "Massensklavereibetrieb". Und diese offen ausgesprochene Erkenntnis brachte ihn ins Gefängnis. Desillusioniert emigrierte er 1986 nach Deutschland.

Seine Erinnerungen an die Islamische Revolution hat er in seinem Buch „Der brennende Geschmack der Freiheit" festgehalten.

Reza Hajatpour, der Schriftsteller: „Freisein“, flüsterte ich in einem Gefühl des Wohlbefindens. Freisein von allem, was mich trog: von falschen Propheten, von verblendeten Geistlichen, von heilenden magischen Gebeten, von Prophezeiungen, von allen scheinbaren Heiligen, die dem unbeschriebenen Blatt der menschlichen Instinkte und der einfachen Natur des Selbst die Keuschheit raubten.“ Aus dem Buch "Der brennende Geschmack der Freiheit"(S. 224f.)

Seit der Publikation seiner Autobiographie „Der brennende Geschmack der Freiheit", im Jahr 2005 im Suhrkamp Verlag, bekam er die Möglichkeit, sich in diversen Medien über die Lage in der islamischen Welt zu äußern, publizierte diverse Artikel in internationalen Magazinen, Zeitschriften und Sammelwerke und hielt zahlreiche Vorträge an Akademien, Universitäten und wissenschaftlichen Einrichtungen im In- und Ausland.

Nach Studienzeiten in Heidelberg, Bonn und Kairo erhielt er 1997 ein Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung für sein Promotionsprojekt „Die iranische Geistlichkeit zwischen Utopie und Realismus". Im Jahr 2000 schloss Reza Hajatpour seine Promotion mit der Endnote im Rigorosum: "summa cum laude (0,00)" ab, wofür er im selben Jahr den Förderpreis der Otto-Friedrich-Universität Bamberg erhielt. Seit 2002 ist er am Lehrstuhl für Iranistik der Otto-Friedrich-Universität Bamberg tätig. Im Juli 2009 schloss er seine Habilitation „Vom Gottesentwurf zum Selbstentwurf. Die Idee der Perfektibilität in der islamischen Existenzphilosophie" ab und ist nun Privatdozent.

2009 wurde Reza Hajatpour für seinen Artikel „Der kurze Frühling der Freiheit", erschienen am 25.6.2009 in der Neuen Zürcher Zeitung, für den Medienpreis der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) („Menschenrechte im Iran") nominiert.

Professor Reza Hajatpour ist in Deutschland geistig, politisch und emotional zuhause und lebt als Familienvater in Bamberg. Inzwischen hat er einen Ruf an die Universität Erlangen-Nürnberg erhalten und unterrichtet dort seit dem Herbsttrimester 2012 Islamkunde als ordentlicher Professor. Sein neuestes Buch "Tage der Liebe" ist mehr als ein Liebesroman mit poltischem Hintergrund, sondern auch eine Hommage an die iranische Seele, die auf dem schmalen Pfad zwischen Ost und West eine Gratwanderung begeht.

 


Rezension zu Tage der Liebe:

Im Schatten der Erinnerung
(Barbara Naziri)

Betrachte ich den rotgestalteten Buchumschlag, erblicke ich die Unterseite eines Frauengesichtes, die sinnlichen roten Lippen geöffnet, um den Duft einer Rosenblüte einzuatmen. Dies lässt eher auf einen Liebesroman schließen. Doch Tage der Liebe“ von Reza Hajatpour ist weitaus mehr als eine simple Liebesgeschichte. 

Wer ist der Autor Reza Hajatpour? Hinter diesem Autorenporträt verbirgt sich ein nachdenklicher sensibler Mann. Reza Hajatpour verließ 1986 als junger Geistlicher zutiefst desillusioniert vom politischen Geschehen seine Heimat Iran, um in Deutschland ins Exil zu gehen. Er lehrt zurzeit als Privatdozent Iranistik an der Universität Bamberg. 

Hier kreuzen sich die Wege des Schriftstellers Reza und seiner Romanfigur Iqbal. Der Protagonist Iqbal ist ebenso Privatdozent für Iranistik in Heidelberg. Aufschlussreich ist hier auch das angewandte iranische Sprichwort: „Ein Privatdozent ist eine verbrannte Kanzel in der Moschee. Man kann sie weder benutzen noch wegwerfen.“ Zum passenderen Untertitel des Buches „Schatten der Erinnerung“ wird die Auseinandersetzung Iqbals mit seiner Lebenskrise und seinem Anderssein klar, die Verzweiflung um sein verlorenes Glück und der Versuch des Protagonisten, dies in einem Roman zu verarbeiten. 

Die Geschichte Iqbals wird zu einem einfühlsamen Porträt eines Mannes, der den Schatten der Vergangenheit entfliehen möchte und doch nicht kann, der sich mit seiner Herkunft, seinen Existenzängsten, seinem Anderssein und den äußeren Anfeindungen darüber auseinander setzt – und doch mitunter hilflos mehr zum Zuschauer statt zum Akteur wird. So sucht er die Einsamkeit. Doch die aus dem Iran auferzwungenen Telefonate mit Iqbals Mullahbruder, der zudem sein Lebensglück auf dem Gewissen hat, treiben ihn zur Verzweiflung. Und er lässt es zu, dass sich die Wunde seines Lebens wie Lepra in die Abgeschiedenheit seiner Seele frisst. Menschen ziehen wie Bilder an ihm vorbei, doch lassen sie ihn weitgehend unberührt, denn der Schmerz sitzt zu tief, um sich ihnen zu öffnen. So zieht er sich in seinen selbst auferlegten Kokon zurück, bis er der Jüdin Vida und der geheimnisvollen Ellen begegnet. Er begreift, dass er wieder lieben darf, auch wenn ihm das neue Lebensglück vielleicht nicht lang erhalten bleiben wird. 

„Tage der Liebe“ ist ein zärtliches Buch. Es hat mein Herz berührt und mir manches Aha-Erlebnis entlockt. Mitunter habe ich mich zwischen den Zeilen wieder entdeckt. So lege ich dieses Buch den deutschen Lesern besonders ans Herz, denn es bietet zum anderen auch einen tiefen Einblick in die iranische Seele mit dem Anspruch, ernst genommen zu werden, zeigt den Zwiespalt zwischen Herkunft und hiesiger Kultur wie auch das Bemühen um Anpassung und Anerkennung.

 

 

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